Mit dem Tod mag das Leben eines Menschen vorbei, aber in mancher Hinsicht kann es für die Hinterbliebenen noch spürbare Auswirkungen geben. Hier zwei Beispiele aus dem wahren Leben.
Wiedersehen im TV-Programm
Die Mutter war an Krebs gestorben, erst hieß es, sie hätte noch Chancen und eine neue Chemo würde ihr Leben verlängern können, doch dann ging nach mehrjährigem Leiden, einem Hin und Her, alles plötzlich ganz schnell. Ein Zweitkrebs trat auf, dann folgten Metastasen, die die früher aktive Frau ausbremsten. Ausgerechnet in der Hüfte machte ein Ausbruch von Knochenkrebs das Laufen unmöglich, die großen Schmerzen führten zu immer höheren Gaben von Schmerzmitteln und nach einem halben Jahr konnte die Mutter dreier erwachsener Kinder nicht mehr in den eigenen vier Wänden leben und ging in ein Hospiz.
Fast jeden Tag wird hier eine Kerze angezündet, wenn jemand der Insassen verstorben ist. Nach sechs Wochen brannte dann auch eine Kerze für die Mutter von Markus*, der im gleichen Wohnort sozusagen zuständig für die Betreuung war. Die Beerdigung hatte die Mutter zu Lebzeiten bei uns im Bestattungsinstitut geregelt, Markus hatte sie ausführlich bis ins letzte Detail informiert, wie alles zu managen sei.
Wiedersehen auf ARTE
Der erste Schock kam etwa ein halbes Jahr später, als er seine Mutter in einer Doku im Fernsehen sah. Es ging um den Umgang mit dem Tod und die Arbeit von Hospizen im Allgemeinen. Der zweite Schock flatterte diese Tage per Brief ins Haus. Es war eine Rechnung eines Arztes, der den Tod festgestellt hatte. 10 Monate nach dem Ableben! Über 200,-€. Für den jungen Mann in Ausbildung ein Happen. Die einst für die Mutter zuständige Krankenkasse fühlte sich telefonisch befragt nicht zuständig, sie komme nur für Leistungen auf, die zu Lebzeiten ihrer Versicherten erbracht worden seien. Gesetzlich gäbe es eine Frist von maximal drei Jahren nach dem Tod, in der Krankenhäuser oder Hospize noch Rechnungen stellen könnten, die mit dem Tod des Versicherten in Verbindung stünden. Das Wort Schock mag zu hoch gegriffen sein, aber für Markus bedeutete es, unfreiwillig wieder mit dem schmerzhaften Tod seiner Mutter konfrontiert zu werden.
„Alles Gute, Du bist enterbt!“
In einem anderen Fall geht es auch um einen Brief, der nach dem Ableben eines nahen Verwandten dem Hinterbliebenem einen Schlag versetzte.
„Alles Gute, Du bist enterbt!“ Das hatte die Mutter am Telefon damals vor ein paar Jahren zu Sven* nicht gesagt, das muss sie sich dann doch nicht getraut haben. Sie meinte, sie wollten nichts mehr mit seinem Leben zutun haben und wünsche den Kontakt nicht mehr. Dass sie damals beim Notar waren, mitten in der Corona-Zeit, um ihren Sohn und seine Nachkommen zu enterben und damit die jüngere Schwester als Alleinerben einzusetzen, das hatte ihm niemand gesagt – auch die Schwester nicht, die es auf Anfragen hin wusste.
Die Familie lebt räumlich getrennt in Deutschland. Seit Jahren gab es aus für einen Außenseiter unbegreiflichen Gründen eine gestörte Kommunikation. Auch bei der in unserem Haus durchgeführten Bestattung war das offensichtlich. Es gab trotz vorhandener Nachkommen erster und zweiter Generation – zwei Kinder und immerhin fünf Enkel – nur eine anonyme Beisetzung am Krematorium, ohne jegliche Abschiednahme, als der Vater mit fast 83 Jahren dieses Jahr im Sommer plötzlich und schnell an den Folgen einer Hirnblutung starb.
Die Bombe kam mit der Post
Vor einem Jahr hatte Sven die Eltern nach mehrjähriger Besuchspause an ihrem Sommerurlaubsort aufgesucht und ein kurzes aber versöhnliches Gespräch mit seinem Vater führen können. Im Nachhinein fühlte sich Sven gut dabei, alles schien vergeben und vergessen. Zwei Monate nach dem Ableben des Vaters kam die Bombe per Post: die Kopie der bei einem Notar hinterlegten Testamente und Verfügungen. In Etappen konnte er nachlesen, wie sich seine Eltern gemeinsam dazu entschlossen hatten, ihn aus dem Erbe zu entfernen. 1994 gab es noch ein Testament, in dem beide Kinder gleichwertig eingesetzt waren. 2012 wurde dann das Haus im Erbfall an die Tochter übertragen und 2020 wurde Sven und seine Nachkommen aus dem Testament gänzlich gestrichen. Im Nachhinein wusste Sven jetzt, was die Mutter damals gemeint hatte, als sie ihm am Telefon verabschiedete: „Alles Gute, …“ Das „Du bist enterbt!“ hatte sie dabei wohl nur gedacht.
*Name jeweils geändert